Die Muslime folgen bezüglich rechtlicher und religiöser Einzelheiten vier großen sunnitischen Rechtsschulen. Aus chronologischer Sicht kommt der Imâm Mâlik ibn Anas unter den Rechtsgelehrten an zweiter Stelle. Mâlik ibn Anas, der als der Gelehrte von Madîna bekannt ist, wurde im Jahre 93 n. H. in Madîna geboren.
Imâm Mâliks Mutter riet ihm, der ersten Schule und Universität des Islâm, der Prophetenmoschee in Madîna, beizutreten, in der er damit begann, den Qurân und dann Hadîthe auswendig zu lernen. In einer Zeit, in der Schreiben und schriftliches Lehrmaterial noch nicht so sehr im Umlauf waren, mussten Studenten und Gelehrte ein starkes Gedächtnis haben, um das Wissen, das sie gelernt hatten, zu lernen und zu bewahren. Imâm Mâlik fehlte es nicht an dieser besonderen Fähigkeit. Es wird gesagt, dass Mâlik ibn Anas, wenn er einem Lehrer zuhörte, der prophetische Überlieferungen berichtete, einen Knoten für jeden Hadîth knotete. Später versuchte er, sich die Überlieferungen selbst vorzutragen, um sicherzustellen, dass er jede einzelne behalten hatte. Einmal nahm er an einer Sitzung teil, in der 30 Hadîthe erwähnt und erörtert wurden. Als die Sitzung zu Ende war, überprüfte er seine Speicherung dieser Hadîthe und bemerkte, dass er einen vergessen hatte. Also eilte er seinem Lehrer hinterher, um den fehlenden Hadîth von ihm zu lernen. Der Lehrer hörte ihm zu und lehrte ihn den einen, der ihm fehlte.
Als angesehener Gelehrter besuchte er nicht nur Studienkreise, die von mehr als 90 Gelehrten abgehalten wurden, sondern diskutierte während seines Lebens verschiedene Angelegenheiten des Glaubens mit seinen Kollegen und den Gelehrten, die während der Haddsch-Zeit nach Madîna kamen. Außerdem tauschte er mit sehr bekannten Obrigkeiten in verschiedenen Teilen der islâmischen Welt Briefe aus. Es wird gesagt, dass Mâlik ibn Anas sehr früh (am Ende seiner Jugendjahre oder Anfang Zwanzig) damit begann, in der Prophetenmoschee Ansprachen zu halten, doch er begann erst zu lehren, als seine Meisterhaftigkeit im religiösem Wissen von nicht weniger als 70 seiner Lehrer bezeugt wurde, von denen manche kamen und die Lehrstunden ihres ehemaligen Studenten besuchten, um von ihm zu lernen. Als konservativer Überlieferer hatte Imâm Mâlik als Lehrer in seiner Moschee große Ehrfurcht vor den Hadîthen des Propheten . Die Geschichte besagt, dass Imâm Mâlik, bevor er das Lehren von Hadîthen begann, ein rituelles Bad nahm und seine besten Kleider anzog und niemandem erlaubte seine Stimme zu erheben. Es wird auch berichtet, dass er in Madîna nicht ritt und sagte, dass er sich selbst nicht in einer Stadt reiten sehen könne, in der der Prophet begraben ist.
Da Imâm Mâlik neunzig Jahre alt wurde, erlebte er den Übergang der Umayyaden-Dynastie in die der Abbassiden. Und er traf viele Kalifen, deren Respekt er auf Grund seines Wissens und seiner aufrichtigen Beratung zusätzlich zu seiner Würde als Gelehrter genoss. Es wird gesagt, dass der berühmte Kalif Harûn Ar-Raschîd, als er von Al-Muwatta (Imâm Mâliks Werk) hörte, seinen Minister entsandte, um ihn zu holen, damit er das Buch dem Kalifen vorlese. Imâm Mâlik antwortete höflich: „Bestell dem Kalifen viele Grüße und sag ihm, dass Wissen besucht wird und es nicht Leute besuchen sollte! Die Leute sollen zu ihm kommen und es soll nicht zu den Leuten gehen.“ Später, als der Kalif Imâm Mâlik vorwarf, ihm nicht zu gehorchen, sagte er zum Kalifen: „O Fürst der Gläubigen! Allâh der Allmächtige hat dich in diese ehrenhafte Stellung erhoben. Sei nicht der Erste, der diesen Ort erniedrigt und die Würde des Wissens und Lernens verletzt, damit Allâh deinen Stand nicht erniedrigt! Ich wollte dir nicht ungehorsam sein, sondern vielmehr, dass der Führer der Gläubigen dem Lernen seinen gebührenden Respekt zeigt, damit Allâh seine Stellung erhöhen möge.“ Der Kalif Harûn Ar-Raschîd war überzeugt und ging gemeinsam mit Imâm Mâlik zu dessen eigenem Haus, um ihm und seinen Lesungen aus seinem Werk zuzuhören.
Eine weitere Eigenschaft, die typisch für die Großen des Islâm ist, die Imâm Mâlik den Menschen durch Worte und Taten lehrte, war Bescheidenheit und das Zugeben von Unwissen in Angelegenheiten, bei denen er sich nicht sicher war. Er betonte bei seinen Studenten, dass die wichtigste Aussage, zu der ein wahrer Gelehrter den Mut haben sollte, die Aussage „Ich weiß es nicht“ sein sollte. Tatsächlich wird berichtet, dass ein Mann zu Imâm Mâlik kam und ihn darüber informierte, dass er sechs Monate lang gereist sei, um ihn über ein bestimmtes Problem zu fragen. Als er das Problem gehört hatte, konnte Mâlik keine zufriedenstellende Antwort finden. Also sagte er zu dem Mann bescheiden: „Ich weiß es nicht.“ Der Mann war überrascht und sagte: „Was soll ich meinem Volk sagen, wenn ich nach Hause komme?“ Imâm Mâlik antwortete: „Sag ihnen: Imâm Mâlik ibn Anas sagt, dass er es nicht weiß!“
Trotz der Tatsache, dass er mehr als 100.000 Hadîthe gesammelt und bei einer Reihe sehr berühmter Autoritäten für religiöse Angelegenheiten studiert hatte, lehrte Imâm Mâlik die Leute mit einem derartigen Verantwortungsbewusstsein und gab seine religiösen Rechtssprüche (Fatwâs) ab. Wir lesen, dass er sehr oft den Fragenden darum bat, eine Weile zu warten, bevor er ihm die Antwort auf seine Frage gab.
Mâlik ibn Anas ist vor allem ob seines großartigen Werkes „Al-Muwatta“ anerkannt, von dem gesagt wird, dass es die zweite Zusammenstellung religiöser Lehren in der islamischen Geschichte sei. Sie wurde laut einigen Historikern in 40 Jahren zusammengestellt. Heute ist dieses Buch immer noch eine Hauptrichtlinie für Millionen von Muslimen in Nordafrika und südlich der Sahara, wo die „Mâlikitische Schule“ vorherrscht.
Imâm Mâlik war eine sehr fromme und Allah demütig fürchtende Person. Er lebte ein Leben voller Entsagung und Enthaltsamkeit. Er fastete oft – manchmal vier Tage in der Woche. Er starb 170 n. H.
Viele seiner Fatwâs sind im Werk Al-Mudawwana überliefert, die einer seiner Schüler Asad ibn Furât aufzeichnete und von Sahnûn mit den Überlieferungen der Schüler Mâliks verglichen wurden. Somit ist die Mâlikitische Schule im Gegensatz zu manchen anderen Rechtsschulen bereits in der Gründerzeit sehr gut belegt.
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